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November 2002

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WinStock 2003 und warum ich nicht hingehen würde

Von Thomas Klein © November 2002

Ich freue mich riesig auf Warpstock Europa in Arnhem. Nicht nur, daß ich dort wieder viele Leute treffen werde, die ich seit ziemlich genau 12 Monaten nicht gesehen habe - es gibt dort so unglaublich viele interessante Sachen zu sehen, zu hören und zu lernen.
Während ich neulich einmal mehr in Vorfreude auf die Veranstaltung überlegte, was ich alles dort geboten bekomme, stolperte mein Hirn plötzlich über eine seltsame Frage:

Warum gibt es eigentlich kein "WinStock" ?

Viele werden sagen: Klar gibt's ein WinStock! Findet jedes Jahr in Hannover statt und nennt sich CeBit!" ;) ...aber ich meine eine Veranstaltung VON Anwendern FÜR Anwender.
Während ich über die möglichen Gründe für die Nichtexistenz einer solchen Veranstaltung grübelte, drängte schon die nächste Frage aus dem Unterbewußtsein:

Wenn's ein WinStock gäbe - wie würde das wohl aussehen?

Wahrscheinlich gäbe es einen Stand von Symantec, Microsoft und vielleicht auch von IBM, aber bestimmt wären alle Trittbrettfahrer und Konformisten anwesend: Allen voran die PC-Welt, vielleicht noch die Computerbild... Natürlich würden am Eingang blonde Studentinnen im Einheitsoutfit, knappen Oberteilen und blassblauen Schirmmützen AOL-CD's umsonst verteilen.

Wer würde wohl dort hin gehen?
Natürlich die üblichen "Jäger und Sammler": Leute, die alles mögliche auf Ihren PC ballern, dauern herumposaunen, was für eine tolle Software sie jetzt gerade gefunden haben, und die sie dann doch nie benutzen. Einmal davon abgesehen, daß Sie keine einzige Shareware jemals registrieren, sondern lieber tagelange Arbeit darin investieren, die Registrierungsroutine auszutricksen.
Was aber nicht so schlimm ist, denn alle 14 Tage müssen Sie ohnehin wieder mit Ihrer raubkopierten WindowsCD eine Reinstallation durchführen weil Sie bis heute nicht kapiert haben, daß man eben nicht einfach irgendwelche "komischen VXD-Dateien" aus dem Systemverzeichnis löschen kann, nur weil man gerade 40 MB mehr Platz braucht um eine AOL-CD zu installieren (wegen den Freistunden).

Virenprogrammierer hätten eine eigene Halle, die unterteilt wäre in Outlook-Wurmprogrammierer, Office-Makrovirenprogrammierer und 0190-Dialerentwickler. Dort gäbe es für die bis-16-jährigen IT-Legastheniker Workshops für die Benutzung von Virenbaukästen und Grundlagenseminare zum Thema "DOS-Attacken selbst gestalten Teil1: Was ist TCP/IP".

Einige engagierte Leute gäben Vorlesungen darüber, wie man in OfficeXP eine Webseite mit Frontpage-Erweiterungen erstellt und PowerPoint-Folien mit eingebetten OLE-Objekten so verändert, daß die passenden Outlook-Adreßeinträge als Tooltip angezeigt werden, wenn man mit dem Mauszeiger darüber stehen bleibt.
Leider kann man während des Workshops nur hundsmiserable Fotokopien anbieten: Auf die Beamer-Präsentation muß leider verzichtet werden, weil der TV-Out-Anschluß des WindowsME-Notebooks überraschenderweise zwar tatsächlich funktioniert, aber niemand einen blassen Schimmer hat, warum das Bild auf dem Projektor durchläuft.

Benutzergruppen stellen neue Verfahren vor, wie man ein laufendes Windows auf eine DisasterRecoveryCD brennen kann um ein selbstinstallierendes Image für den Fall zu erstellen, daß Windows sich wieder einmal total zerlegt hat. Die Demonstration des "Zerlegens" funktioniert prächtig, bei der WIederherstellung bemerkt man aber, daß die gebrannte CD dummerweise nicht bootfähig ist. Kleiner Denkfehler. Beim zweiten Anlauf klappt alles prima doch Windows kann nicht gestartet werden, weil scheinbar irgendwas in der registry nicht stimmt.

Andere, erfahrene alte Hasen, die bereits mit Visual Basic 1.0 echt tolle Brettspiele mit 16 Farben auf Sharewarebasis programmiert haben, erklären einigen pickelgesichtigen Unterterzianern, daß es tatsächlich Möglichkeiten gibt, mehr als eine Partition auf einer Festplatte zu betreiben. Die Frage, wozu man so etwas machen soll, kann er zwar nichtg beantworten, weiß aber, daß man dazu auf jeden Fall die neueste Version von PartitionMagic braucht... was aber kein Problem wäre, denn er kenne neotfalls jemanden, der eine gecrackte version davon hat.

Und natürlich die immer wieder gern gesehenen "100 Tips und Tricks zu Windows [welche-version-auch-immer]", gepaart mit der darauf folgenden Veranstaltung "50 undokumentierte Funktionen von Windows" (gesponsert von der PC-Welt) und "Wie man das DFÜ-Netzwerk um bis zu 3% schneller bekommt", gesponsert von der Deutschen Telekom, die im Vorraum übrigens DSL-Verträge verkauft.

Nachdem wir also wissen, wie es da zugeht kommen wir zurück zur ersten Frage: Warum gibt es keine europäische Userkonferenz für Windows? Denken Sie nicht, es läge an mangeldem Platz für die Millionen von Besuchern! Es liegt einfach daran - glaube ich - daß (fast) niemand sich wirklich als "Windows-Anwender" sieht oder sich mit dem Ding irgendwie indentifizieren kann (wie denn auch, man kann ja gar keine Beziehung dazu aufbauen, da alle zwei Jahre ein "neues" Windows auf den Markt kommt...).

Die meisten "Windowsanwender" wollen doch entweder eigentlich nur surfen, emailen oder spielen. Andere müssen sich der "company policy" beugen und kriegen das Ding vorgesetzt, weil man damit eben am besten MS-Office-Dokumente bearbeiten kann.
Einige andere fanden es wie von Zauberhand bereits auf Ihrem PC, als sie vom MediaMarkt kommend das Ding zum ersten mal eingeschaltet haben. Wiederum andere haben einfach eine Raubkopie von einem Freund bekommen, der Ihnen die Lösung aller Probleme durch Einsatz der neuesten Version versprach.

Windowsmesse - nee, Danke. Da treffe ich nur die selben gescheiterten Existenzen, die man hin und wieder Abends in der Kneipe über Windows lamentieren hört, die sich dann am nächsten Morgen aber sofort die neueste PC-Welt kaufen um zu erfahren, was über den Windows-Nachfolger durchgesickert ist, welches Dialer-Warnprogramm im Vergleichstest am besten abgeschnitten hat und wie man mit ein paar geheimen registry-Einträgen das T-DSL um bis zu 5% schneller machen kann.


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