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Februar 2002

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Xact - ein heimlicher Held

Von Manfred Agne © Februar 2002

Kürzlich habe ich festgestellt, daß meine Lieblingsanwendung unter den kommerziellen Programmen für OS/2, nämlich Xact, noch in keinem VOICE Newsletter besprochen wurde! Das mag daran liegen, daß die derzeitige Version seit langen Jahren die erste ist, die wieder auf Englisch verfügbar ist. Die letzte englischsprachige Version davor war 3.2, die 1994 herauskam. Die Versionen 4 bis 6 waren nur auf Deutsch verfügbar.
 

Um was geht es?

Xact ist ein Chart Publishing Programm mit Vektorgrafik-Funktionen, das von Scilab, einer deutschen Firma mit Sitz in Hamburg, hergestellt wird. Wenn Sie jemals Origin (eine Windows-Anwendung) verwendet haben, Xact macht etwa das gleiche - nur besser. :-) Leider ist Xact keine billige Software, der Preis bewegt sich zwischen DM 899.- (€ 459.14) für eine Einzelplatzlizenz von Xact bis zu DM 3396.- (€1736.35) für eine 5-User Netzwerklizenz von Xact Pro. Aber wenn Sie Student sind, gibt es für Sie auch Studentenversionen mit einem Preisnachlaß. Sie bekommen eine CD mit den Versionen für OS/2, Win16 und Win32, und ein gedrucktes Handbuch, das auf der CD nochmal als PDF-Datei vorhanden ist. Die Preise sind etwa wie bei Origin, nur ein bißchen besser. Wie dem auch sei, Scilabs Service ist hervorragend, und Xact ist die stabilste und wahrscheinlich die nützlichste Software, die ich je gekauft habe. Anders als viele andere kommerzielle OS/2-Anwendungen ist Xact kein portiertes Windows-Produkt. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde es ursprünglich für Atari entwickelt, und als die Platform ausstarb, begann SciLab Xact für OS/2 zu entwickeln.

Ich begann 1994 mich für Xact zu interessieren, als ich an meiner Doktorarbeit arbeitete. Damals war Version 3.2 aktuell, und obwohl mir der Preis ziemlich weh tat, habe ich mich für die Studentenversion entschieden. Sie kam in einer großen Schachtel, mit einem kurzen Handbuch und einem fotokopierten Blatt auf dem stand, daß das frühere ausführliche Handbuch entfiel, weil es sowieso niemand gelesen hätte, sowie ein paar 3.5" Disketten - drei, wenn ich mich recht erinnere. Über die Jahre habe ich Versionen 4, 5 und 6 mitgemacht, und von der Studentenversion auf die Vollversion aufgerüstet. Ich werde erzählen, warum:
 

Die vorgesehene Verwendung

Wie ich schon sagte, Xact ist ein Chart Publishing Programm. Wenn Sie ein Wissenschaftler sind und Kurven an Ihre Meßdaten anfitten möchten (oder müssen), dann ist Xact richtig für Sie. Wenn es zu Ihrem Job gehört, öfter mal Finanzdaten präsentieren zu müssen, hilft Ihnen Xact bei Ihrer Arbeit. Wenn Sie Balkendiagramme, Tortendiagramme, Scatterplots, oder irgendeine der zahlreichen anderen Methoden der Darstellung und Analyse numerischer Daten benötigen, dann ist Xact genau das, was Sie sich kaufen sollten. Xact Pro beherrscht auch CMYK-Separation, was ganz nützlich ist, wenn Sie für professionelle Print-Medien arbeiten, und es kann auch mit Shapefiles (Formdateien) umgehen, wie zum Beispiel Vektorkarten. Alle Versionen von Xact können Diagrammvorlagen verwenden: Wenn Sie die gleiche Präsentation jeden Monat wieder benötigen, aber immer mit neuen Zahlen (z.B. den monatlichen Verkaufszahlen Ihrer Firma), dann könnten Sie sich eine Vorlage mit Ihrem spezifischen Layout und Ihrer Präsentationsmethode definieren, inklusive dem Firmelogo, speziellen Fonts, Hintergrundbitmap, was immer sie wollen, und dann einfach die Zahlen des Monats verwenden, um die fertige Grafik aus der Vorlage zu erzeugen. Da Xact für OS/2 ein REXX-Interface hat, könnten Sie sich auch Ihr eigenes Script schreiben, das die Präsentation für Sie fertigstellt.

Xact importiert Daten in den wichtigsten Formaten -  aus CSV-Dateien (Komma-getrennte Werte) und verschiedenen anderen Tabellenkalkulations-Formaten (ASCII, DIF, WKS, WK1, WK3, XLF und DBF) werden die Daten in eine "Tabelle" eingelesen. Wenn es zu viele Datenpunkte sind, kann man während des Datenimports eine automatische Datenreduktion ausführen lassen. Dann führt man üblicherweise ein paar Berechnungen in der Tabelle aus, definiert verschiedene Spalten als "X-", "Y-", oder "Z-Daten", und wählt die zu erstellende Darstellung aus. Die Darstellung kann entweder eine grafische Repräsentation der Daten sein, oder wiederum eine Tabelle. Wenn Sie mit TeX arbeiten, ist das vermutlich der bequemste Weg, eine LaTeX-Tabelle zu erstellen! Die verfügbare Auswahl an Graphen scheint selbst die ausgefallensten Wünsche abzudecken. Es gibt 12 verschiedene Kategorien (Linien-, Bänder-, Balken-, und Tortendiagramme, Tabellen, Aktien-, 3D-Linien-, Flächen-, Konturen-, Profile-, Polarplots und Spezialdiagramme), mit insgesamt 79 verschiedenen Graphen, wobei jeder einzelne weitere Einstellungsmöglichkeiten bietet. Nachdem man die entsprechenden Optionen ausgewählt hat, generiert Xact den Datenplot als Vektorgrafik, die auf verschiedene Art und Weise skaliert und verändert werden kann. Zum Beispiel öffnet ein Doppelklick auf einen beliebigen Teil der Grafik normalerweise ein Einstellungsnotizbuch mit einer Masse an Optionen - Farben, Fonts, Linienstärke, Sichtbarkeit, Skalierung, praktisch alles kann modifiziert werden. Aber auch die Default-Einstellungen ergeben normalerweise einen hübsche und sehr brauchbare Darstellung, deshalb ist es nicht nötig, so tief einzusteigen, außer man möchte. Das Ergebnis kann dann in Xacts internem Vektorgrafik-Format gespeichert werden, oder man kann es in einem der am häufigsten benutzten Vektorgrafik-Formate exportieren (unter anderem EPS, MET und WMF). Auf Wunsch exportiert Xact aber auch in Bitmap-Formate (BMP, TIF, PCX).
 

Derzeit ist Xact für OS/2 sowie 16-Bit und 32-Bit Windows verfügbar. Auf http://www.scilab.de gibt es Demoversionen der drei Produkte auf  Deutsch und Englisch, zusammen mit einem 170-seitigen PDF-Handbuch, das mit Acrobat Reader 3 für OS/2 kompatibel ist. Unter OS/2 benötigt die Win32-Version Odin, aber wenn das installiert ist, laufen alle drei Versionen von Xact unter Warp und eCS, inklusive Installation und Deinstallation. Nicht daß ich einen Grund wüßte, das auszuprobieren - die OS/2-Version hat die gleiche Funktionalität wie die Win-basierten Versionen, und das Datenformat ist auf allen Plattformen das gleiche.

Beachten Sie, daß das untere rechte Fenster im Screenshot die Win32-Version zeigt - meine Odin-Installation ist so konfiguriert, daß sie die OS/2-Fensterbuttons anstelle der Buttons im Windows-Stil verwendet. Aber man sieht, daß es sich um die Win-Version handelt, wenn man die Checkboxen im unteren Teil des Fensters mit denen des linken Fensters vergleicht, das das native OS/2-Programm unter eComStation zeigt.

Xact hat auch ein leistungsfähiges und gut dokumentiertes REXX-Interface. Es hat keine Tools, mit denen man Xacts eigenes GUI erweitern oder verändern könnte, aber alle Charting- und Zeichentools scheinen über REXX ansprechbar zu sein, und Xact wird mit einigen Beispielen ausgeliefert. Man kann Xact auch aus dem Ergebnis auch eine Bitmap rendern lassen. Daher könnten Sie wahrscheinlich Xacts REXX-Interface verwenden, um periodisch einen Datenplot für eine Webseite zu erstellen und zu aktualisieren - die monatlichen Verkaufszahlen, seismographische Daten von dem Vulkan in Ihrem Hinterhof, oder einen Scatterplot von Ihrem letzten Proton-Antiprotonen-Kollisionsexperiment. ;-) Welchen Datenplot Sie auch immer benötigen, Xact macht es für Sie.

Xacts zweites Gesicht

Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht, das sieht nach einem ziemlich speziellen Programm aus, und das ist es auch. Aber es hat auch noch eine andere Seite. Xact erstellt nicht nur selbst Vektorgrafiken, sondern es hat auch einen ziemlich kompletten Satz an Vektor-ZeichenWerkzeugen. Zugegeben, es ist kein Corel Draw für OS/2, aber es ist die Brot-und-Butter Grafikanwendung, mit der ich meine 2D-Grafiken erstelle; für 3D verwende ich meistens POVRay. Tatsächlich war das ab dem ersten Tag das nützlichste (und überraschendste) Merkmal von Xact, und es ist der Grund, warum ich es immer noch fast jeden Tag verwende.

Die vertikale Buttonleiste links im Fenster enthält die Zeichenwerkzeuge; wie durch die kleinen Pfeile angedeutet, sind mit den meisten Buttons weitere verknüpft, auf die man zugreift, indem man auf den Button klickt und dann bei gedrückter linker Maustaste nach rechts zieht. Zum Beispiel hat der Linien-Button drei weitere Buttons für horizontale Linien, vertikale Linien, und ein "Freihand"-Zeichenwerkzeug, das einen Polygonzug erstellt. Man kann ein "magnetisches Gitter" mit frei definierbarem Abstand zwischen den Gitterpunkten einschalten. Objekte können über die Eingabe von numerischen Daten skaliert und/oder positioniert werden, oder indem man sie mit der Maus manipuliert. Unter "Bearbeiten" gibt es einen sehr nützlichen Menüeintrag "mehrfach duplizieren", den man verwenden kann, um das ausgewählte Objekt auf einer Seite mehrfach zu wiederholen (z.B. können Sie so Ihren eigenen Adreßaufkleber 60-fach auf vorperforiertem, selbstklebendem Papier ausdrucken). Mit dem gleichen Menüpunkt, aber anderen Optionen, kann man das gleiche Objekt rotiert, skaliert, und/oder mit veränderter Farbe wiederholen. Xact ist ziemlich schnell, so daß selbst ein älterer Computer ohne merkbare Leistungseinbußen hunderte von Grafikobjekten innerhalb einer Datei verwenden kann. Zusätzlich zu den Vektorzeichenwerkzeugen importiert Xact auch Bitmaps. Sie können unabhängig voneinander in x- und y-Richtung skaliert werden, und sie können mit den Vektorelementen kombiniert werden. Leider ist es noch nicht möglich, Bitmaps um beliebige Winkel zu rotieren (90°, 180°, und 270° geht), und Transparenz in Pixelbildern wird nicht unterstützt. Entweder hat man eine Bitmap, oder nicht. Ich habe festgestellt, daß ich diese Beschränkungen umgehen kann, indem ich einen Teil meiner Arbeit in Xact erledige, das Ergebnis als hoch aufgelöste Bitmap exportiere, und das Projekt in ImpOS/2 oder Embellish fertigstelle.

In den meisten Fällen hat Xact aber alle Möglichkeiten, die ich benötige. Zum Beispiel zeichne ich meine Disketten- und CD-ROM Label und Einleger mit Xact. Ich verwende es, um Adressaufkleber zu drucken, und Visitenkarten. Wenn ich Photos auf Hochglanzpapier ausdrucke, benutze ich es, um die Bilder anzuordnen und zu skalieren. Ich habe Xact genommen, um die Einladungen zu meiner Hochzeit zu erstellen, und die Menükarte, die Adreßaufkleber und das Programm für den Tag zu drucken.

Alles in allem bin ich mit Xact ziemlich zufrieden. Ich denke, es bietet mehr Leistung für mein Geld, als ich jemals bei einem anderen Software-Kauf bekommen habe.

Noch etwas: Falls Sie Xact oder Xact Pro kaufen, bekommen Sie eine CD-ROM mit den Versionen für OS/2, Win16 und Win32. Gehen Sie sicher, daß die Leute bei SciLab wissen, daß Sie die OS/2 Version wollen - sie können nicht wissen, welche Version Sie verwenden, wenn Sie es ihnen nicht sagen!

Quellenverzeichnis:
Xact 7.0
Entwickler: Scilab
Preis:
Xact 7.0: Einzelplatz EUR 459.14, Studentenversion EUR 203.49, Mehrfachlizenz 3er im Netzw. EUR 1173.93
Xact Pro: Einzelplatz EUR 714.78, Mehrfachlizenz 3er im Netzw. EUR 1736.35

Scilab http://www.scilab.de


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